grafik sport head 01
Content

„Ziel ist ein radikal einfacher Nahverkehr“

Das 9-Euro-Ticket zeigt es: Günstige und leicht verständliche Angebote machen den Nahverkehr attraktiv, meint Clara Döge. Als Projektleiterin bei NAH.SH arbeitet sie am neuen SH-Tarif.

Das Ticketsystem im Nahverkehr soll ein Update bekommen – was ist geplant?
Döge: Der geltende Tarif in Schleswig-Holstein ist zwanzig Jahre alt. Wir fragen uns: Passt er noch zu den Bedürfnissen der Fahrgäste? Muss der Nahverkehr nicht viel einfacher, attraktiver und digitaler werden? Wir ermitteln gerade mit aktuellen und potenziellen Kund*innen, wie wir das Angebot verbessern können. Dabei wird deutlich, dass der bestehende Tarif eine Hürde für einen einfachen Nahverkehr darstellt. Manche kaufen zum Beispiel versehentlich zu teure Tickets. Und der Nahverkehr wird für teurer gehalten, als er tatsächlich ist.

Was erwartet die Fahrgäste konkret?
Der neue Tarif wird erst 2023 vorgestellt, wir arbeiten noch an grundlegenden Weichenstellungen. Auch künftig wird es Einzeltickets geben, die ich im Bus oder digital kaufen kann. Auch Abos bleiben erhalten. Wir wollen das Tarifsystem deutlich kundenfreundlicher und einfacher machen. Auch andere Mobilitätsformen wollen wir integrieren. Vielleicht wird es eine Kombination mit Bike- oder Carsharing sowie mit On-Demand-Angeboten geben. Unser klares Ziel heißt: Der Tarif soll sozusagen nicht mehr spürbar und radikal einfach sein.

So wie das 9-Euro-Ticket?  
Die große Nachfrage ist das beste Argument für einfache Tickets. Erste Ergebnisse von Befragungen zeigen: Es ist nicht nur erfolgreich, weil es so günstig ist. Entscheidend ist auch, dass das 9-Euro-Ticket einfach zu verstehen ist. Wenn ich von A nach B will, muss ich mich nicht mit so etwas wie Tarifzonen befassen, sondern steige einfach ein.

Noch einfacher wäre ein kostenloser Nahverkehr ...
Das muss nicht bedeuten, dass der ÖPNV automatisch mehr genutzt wird, wie Umsonst-Projekte gezeigt haben. Wenn wir das ganze Geld in die Kostenfreiheit stecken, fehlt es etwa, um das bestehende Angebot aufrechtzuerhalten und auch zu verbessern. Gute und verlässliche Verbindungen sind aber entscheidend, wenn wir mehr Menschen vom Nahverkehr überzeugen wollen. Die Verkehrswende gelingt nicht allein über den Preis. Es braucht beides: Menschen, die komfortabel und klimafreundlich mobil sein wollen. Und einen gut ausgebauten, leicht verständlichen und komfortablen Nahverkehr.

Was ist bei der Tarifgestaltung noch zu beachten?
Es gibt fünf Ziele: Der Tarif soll verständlich, leistungsgerecht, sozial gerecht und wirtschaftlich sein, außerdem soll er die Auslastung steuern. Das Problem ist, dass sich nicht all diese Ziele gleichzeitig erreichen lassen. Es ist wie bei einer Tischdecke. Wenn ich zum Beispiel an der Ecke der Leistungsgerechtigkeit ziehe, müsste jeder Kilometer dasselbe kosten. Das geht aber zulasten der Verständlichkeit und steht beispielsweise einer Flatrate entgegen. Beim neuen Tarif werden wir auf jeden Fall an der Ecke „einfach und verständlich“ ziehen. Darin sind sich alle Akteure vom Land über die Kreise bis zu den Verkehrsunternehmen einig.